Der aktuelle Arbeitslosenreport NRW zeigt: Frauen sind häufiger langzeitarbeitslos, benötigen öfter aufstockende Hartz-IV-Leistungen als Männer, erhalten aber weniger Förderung in arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen.
In Nordrhein-Westfalen waren im September 2017 über 315.000 Frauen arbeitslos gemeldet. Fast jede Zweite von ihnen (44 Prozent) war langzeitarbeitslos. Vor allem fehlende berufliche Qualifikationen und die Herausforderung, als Alleinerziehende die Betreuung von Kindern sicherzustellen, erschwert ihnen die Teilhabe am Erwerbsleben.
18 Prozent (57.000) aller arbeitslosen Frauen in NRW sind alleinerziehend. Rund jede sechste Arbeitslose muss daher bei der Arbeitssuche die Betreuung von einem oder mehreren Kindern alleine organisieren. Wenn das nicht klappt, droht den Frauen und ihren Kindern das Risiko in Armut zu geraten – jetzt und auch später bei der Rente. Die Freie Wohlfahrtspflege in NRW fordert deshalb die Betreuungsplätze für Kinder weiter auszubauen. Und das so, dass die Frauen auch die Möglichkeit haben zum Beispiel fehlende Qualifikationen nachzuholen.
Tatsächlich haben mehr als die Hälfte (55 Prozent) aller arbeitslosen Frauen in NRW keine abgeschlossene Berufsausbildung und damit auch wenig Zugang zu besser bezahlten Arbeitsplätzen und einer durchgängigen Karriereplanung. Der Vorsitzende der Freien Wohlfahrtspflege, Andreas Johnsen, appelliert, dieses erhebliche Bildungspotential nicht länger brach liegen zu lassen. Er fordert die Ausweitung und stärkere Nutzung der Möglichkeiten, Berufsabschlüsse in Teilzeitausbildungen oder in modularisierten Bildungsgängen erwerben zu können. „Viele arbeitslose Frauen wollen und können eine Berufsausbildung nachholen“ so Johnsen. „Sie müssen in den Jobcentern gezielt auf diese Chance hingewiesen und bei der praktischen Umsetzung individuell unterstützt werden. Dazu bieten wir als Freie Wohlfahrtspflege in NRW die kompetente Kooperation unserer Dienste und Einrichtungen an. Vor allem aber appelliere ich an die Wirtschaft, endlich wieder mehr Engagement in der Berufsausbildung zu zeigen und dabei auch neue Wege einzuschlagen.“
Über 156.000 Frauen in Nordrhein-Westfalen sind trotz Arbeit auf aufstockende Hartz-IV-Leistungen angewiesen. Grund ist meist die Beschäftigung in Teilzeit- und Minijobs. Diese Frauen tragen ein doppeltes Risiko: Zum einen zahlen sie weniger oder gar nicht in die sozialen Sicherungssysteme ein und sind deshalb von Altersarmut bedroht, zum anderen werden Minijobs oft zu einer beruflichen Sackgasse und verbauen den Aufstockerinnen langfristig den Weg in existenz- und alterssichernde Arbeit.
Damit Arbeitslose nicht auf prekäre Arbeitsverhältnisse angewiesen bleiben, setzt die Freie Wohlfahrtspflege auf Qualifizierung, auch mithilfe arbeitsmarktpolitischer Förderung. Doch während die Arbeitslosigkeit in Nordrhein-Westfalen nahezu gleich auf die Geschlechter verteilt ist, lag der Frauenanteil an arbeitsmarktpolitischen Fördermaßnahmen bei nur 38 Prozent. Besonders niedrig sind die Frauenanteile bei Maßnahmen zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit (34 Prozent), bei Maßnahmen der Berufswahl und Berufsausbildung (36 Prozent) und bei Beschäftigung schaffenden Maßnahmen (37 Prozent). Für den Vorsitzenden der Freien Wohlfahrtpflege NRW ist dies nicht hinnehmbar: Er stellt fest: „Die gesetzlichen Vorgaben werden hier eindeutig nicht erfüllt, denn sie verlangen eine Beteiligung von Frauen an Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik, die mindestens ihrem Anteil an den Arbeitslosen und ihrer relativen Betroffenheit von Arbeitslosigkeit entspricht. Die Freie Wohlfahrtspflege fordert vor allem von den Jobcentern mehr Anstrengungen, um bei der Vergabe der knapp gewordenen Plätze in Fördermaßnahmen Frauen angemessen zu berücksichtigen. Dazu gehört auch, mehr Maßnahmen gezielt so zu konzipieren, dass sie dem Lebenskontext und der familiären Situation von Frauen gerecht werden, insbesondere den spezifischen Bedürfnissen von Alleinerziehenden.“
Für die Freie Wohlfahrtpflege NRW ist eine gleichstellungsorientierte Familien- und Arbeitsmarktpolitik, die ordentlich entlohnte, sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze mit der Sorgeverantwortung in der Familie vereinbar macht, das beste Mittel gegen die Altersarmut von morgen.
Hintergrund:
Die Wohlfahrtsverbände in NRW veröffentlichen mehrmals jährlich den „Arbeitslosenreport NRW“. Darin
enthalten sind aktuelle Zahlen und Analysen für Nordrhein-Westfalen; Basis sind Daten der offiziellen
Arbeitsmarktstatistik der Bundesagentur für Arbeit. Jede Ausgabe widmet sich einem
Schwerpunktthema. Hinzu kommen Kennzahlen zu Unterbeschäftigung, Langzeitarbeitslosigkeit und
zur Zahl der Personen in Bedarfsgemeinschaften, um längerfristige Entwicklungen sichtbar zu machen.
Der Arbeitslosenreport NRW sowie übersichtliche Datenblätter mit regionalen Zahlen können im Internet unter www.arbeitslosenreport-nrw.de heruntergeladen werden. Der Arbeitslosenreport NRW ist ein Kooperationsprojekt der Freien Wohlfahrtspflege NRW mit dem Institut für Sozialpolitik und Arbeitsmarktforschung (ISAM) der Hochschule Koblenz. Ziel der regelmäßigen Veröffentlichung ist es, den öffentlichen Fokus auf das Thema Arbeitslosigkeit als wesentliche Ursache von Armut und sozialer Ausgrenzung zu lenken, die offizielle Arbeitsmarktberichterstattung kritisch zu hinterfragen und dabei insbesondere die Situation in Nordrhein-Westfalen zu beleuchten.
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